Leseprobe „Kiel Oben in der Klemme“

Der Neue

Flatsch! „Volltreffer!“, schrie Solveigh, bevor Kati das volle Ausmaß der Schweinerei erfasst hatte.
„Emmas Rache“, lachte Solveigh. Kati schüttelte sich voll Ekel, als es ihr feucht über das kurze blonde Haar in den Nacken leckte.
„Dieses alte Mistvieh“, fluchte sie, „hätte ja auch dich anfliegen können!“
„Hat sie aber nicht!“, triumphierte Solveigh, „Ich hab‘s genau gesehen: Sie peilte dich an, flog gegen den Wind heran und drückte ab!“
„Das kommt davon, wenn man ein gutes Herz hat: Die Atzung dieser Raubvögel ist eindeutig gefährlicher als Tauben im Park zu füttern“, seufzte Kati. Sie schob die leere Kekspackung in ihre Segeltasche zurück. Das Geschrei der Möwen ebbte ab, als sie die Situation erkannt hatten und in weiten Schwüngen davon segelten.
Kati wischte sich mit der linken Hand über das Haar, besah sich die weiß-schlierige Pracht und ließ sich mit einem Aufseufzer rücklings über Bord plumpsen.

Die Förde hatte sich in diesem Jahr früh erwärmt und bei der sengenden Julihitze war das kühle Seewasser eine wunderbare Erfrischung.
Nachdem Kati ihre Haare durchgerubbelt und mehrfach gespült hatte, tauchte sie auf und sah sich um. Solveigh war mit der Jolle ein ganzes Stück weiter gesegelt, luvte jetzt aber an. Sie wendete das Boot elegant und nahm wieder Kurs auf das Mädchen, das in seiner blau-weißrot gestreiften Schwimmweste faul auf dem Wasser trieb.
Als Solveigh das Boot auf gleiche Höhe gebracht hatte, drehte sie den Bug in den Wind und kam direkt neben Kati zu liegen. Kati griff Solveighs ausgestreckte Hand und zog sich mit einem geübten Schwung mühelos in das Boot.

Nie Ohne Seife Waschen!“, zitierte Solveigh lachend die Eselsbrücke für die vier Himmelsrichtungen. Kati schüttelte ihre Haare wie ein nasser Hund und bemühte sich Solveigh vollzuspritzen.
„Du fliegst gleich wieder rein, wenn du mich dreckig machst!“
„Ich hab‘ meine Haare gewaschen, was du von deinen nicht sagen kannst“, antwortete Kati und machte ihrerseits Anstalten Solveigh ins Wasser zu stoßen.
„Lass das, wir müssen zurück!“ „Okay, wie spät ist es denn?“
Umständlich wühlte Kati in ihrer Segeltasche und kramte aus einem Reißverschlussfach eine verschrammte Armbanduhr hervor. Nachdem sie erfolglos versucht hatte, das beschlagene Zifferblatt zu säubern, schielte sie seitlich in das Gehäuse der Uhr. „Hast Recht, es ist ja schon fast drei!“
„Um drei kommt der Neue…“ Solveigh hörte sich nicht begeistert an.

Seit drei Jahren gab Solveigh Segelunterricht. Schon als Kleinkind hatten ihre Eltern sie zum Segeln mitgenommen. Im Vorschulalter musste sie ihre erste Segelscheinprüfung ablegen.
Ihr Vater hatte darauf bestanden, dass sie in der Segelschule seines Onkels Hinrich an einem „Opti“- Kurs teilnahm.
In den winzigen Segelbooten, die sinnigerweise „Optimisten“ heißen, aber von allen Seglern nur liebevoll „Optis“ genannt werden, lernen Schulkinder den ersten Umgang mit Wind und Wellen.
Solveigh hatte Rotz und Wasser geheult, als ihr Opti abtrieb und sich immer weiter von der kleinen Flotte der anderen Schüler entfernte. Als dann eine Bö das Sprietsegel erfasste und ihr Boot zum Kentern brachte, war Onkel Hinrich mit seinem Motorboot sofort zur Stelle. Er nahm das triefende Kind an Bord und schleppte den gekenterten Opti in den Hafen. Seither hatte Solveigh ein inniges Verhältnis zu ihrem Großonkel und nahm – aber nur ihm zuliebe! – weiter am Segelkurs teil.

Solveigh verbrachte von da an jeden Sommer in Onkel Hinrichs kleiner Segelschule am Ostufer der Förde und wurde bald zu seiner rechten Hand.
Natürlich war es Ehrensache, dass sie sich auch an den Winterarbeiten beteiligte, die Boote schmirgelte, Lecks ausbesserte und kleine Reparaturen ausführte. Das Anmalen der Boote – das „Pönen“, wie Onkel Hinrich sich ausdrückte, – hasste sie aber abgrundtief. Das überließ sie lieber ihm und er machte es mit großer Liebe.
Obwohl Onkel Hinrich in seiner Segelschule fünf baugleiche Boote einsetzte, segelte Solveigh am liebsten mit dem Boot Nr. 3. Sie hatte die Jolle auf den Namen KielOben getauft. „Aber ‘ne Jolle is‘ unten rund wie‘n Kinderpopo, die hat doch gar keinen Kiel!“, hatte Onkel Hinrich gemault.
Noch erstaunter war er, als Solveigh auch noch darauf bestand den Schriftzug an beiden Seiten des Hecks kopfüber anzubringen.
„Man muss doch lesen können, welches Boot gekentert ist“, hatte sie ihrem Großonkel das Problem auseinander gesetzt.

Die Familie war sich einig, dass Onkel Hinrich eine gescheiterte Existenz sei und es mit ihm noch einmal traurig enden würde. Nachdem seine Ehe geschieden war, hatte er seinen lukrativen Job in der Industrie aufgegeben und in der alten Fischerhütte seines Vaters die Segelschule eröffnet.
In den ersten Jahren lief das Geschäft noch recht gut, aber nun war Onkel Hinrich im Rentenalter und nicht mehr so wendig wie früher.
Außerdem hatte er Konkurrenz bekommen: Eine YachtCharterfirma hatte sich am Mönkeberger Hafen niedergelassen. Zur Komplettierung ihres Angebotes – und nach Ansicht von Onkel Hinrich und Solveigh völlig überflüssigerweise – bot das Unternehmen auch Jollen-Segelkurse an.
Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, wann Onkel Hinrich seinen Laden würde dichtmachen müssen. Solveigh und Onkel Hinrich waren sich wiederum einig, dass sie diesen Zeitpunkt so weit wie möglich hinausschieben wollten.
Ihre Segelschüler waren fast ausschließlich Jugendliche und Studenten, denen die ursprüngliche Art der Segelschule im Allgemeinen und Onkel Hinrichs urige Sprüche im Besonderen gefielen – und natürlich auch die günstigen Preise…

Onkel Hinrich hatte in sein Vormerkbuch für heute eingetragen: „15 Uhr – Christian Meyer zur Heide (oder zur Hölle?), fast 15 Jahre, Bad Oexen, NRW, Anfänger, 14 Tage Kursus“
Solveigh deutete stumm auf einen Zusatz, der mit Bleistift eingetragen war. „Hey, ‘ne Holtenauer Telefonnummer?“, staunte Kati.

Solveigh schniefte nur verächtlich. Solveigh mochte als Segelschüler die Studenten, am liebsten aber die Studentinnen, weil die lernfreudig und nicht so eingebildet waren. Doof waren ältere Männer. Die ließen sich nie etwas sagen.
Aber ein Junge im gleichen Alter wie sie und Kati? Hoffentlich ist er nicht so aufsässig, aber dann würde ihr schon was einfallen…

Als das Boot in den Hafen einlief, hielt Kati Ausschau nach Kalle Kruse, dem Hafenmeister. Sie kannte jedes Boot, sah jede Veränderung im Hafen sofort. Kati konnte fast riechen, wo Kalle herumwuselte, um den Bootseignern die Leviten zu lesen. Dabei stemmte er gewöhnlich die Hände in die Hüften und plusterte sich auf, dass die Adern an seinem bulligen Hals daumendick anschwollen.
Die wichtigste Aufgabe sah der Hafenmeister darin die Vertäuung der Boote in seinem Hafen zu kontrollieren. Hier waren nach Kalles Ansicht die Leinen zu locker, dort zu stramm, und zwischen zwei anderen Booten musste ein zusätzlicher Tampen gespannt werden. Kalle fand immer einen Grund die Segler zurechtzuweisen. Das Verhältnis der Mädchen zu Kalle hatte sich im letzten Jahr geklärt, als Solveigh an Kalles Holzbude unter das handgemalte Sperrholzschild mit der Aufschrift „Hafenmeisterei – Strandkorbvermietung – Angelfahrten“ mit Kreide gekritzelt hatte: „Es bedient Sie: Tampen-Jonny“. Seitdem war Kalle nicht gut auf die Mädchen zu sprechen, obwohl er täglich mit Onkel Hinrich Klönschnack hielt.
Die beiden Junggesellen hatten herausgefunden, dass jeder von ihnen die Kieler Tageszeitung abonniert hatte, aber zu unterschiedlichen Tageszeiten las.
Onkel Hinrich, der immer sehr praktisch dachte, hatte Kalle deshalb vorgeschlagen sich einfach ein Abonnement zu teilen: Morgens könnte der Hafenmeister sich über die neuesten Verbrechen informieren. „Kalle liest sowieso immer nur die ‚Räuber-Seite’!“ hatte Onkel Hinrich den Mädchen anvertraut.
Mittags könnte dann der Segellehrer sich dem politischen Tagesgeschehen widmen. Seitdem brachte Kalle jeden Mittag um zwei Uhr das vom Wind reichlich zerknitterte, aber sorgfältig gefaltete „Kieler Käseblatt“, wie Onkel Hinrich es spöttisch nannte, in die Segelschule.
Jetzt hatte Kati Tampen-Jonny entdeckt: Natürlich, wenn man so bescheuert sein Boot festmacht wie der Dicke von der Godewind III an Steg A, hat man förmlich schon den Anranzer vom Hafenmeister gebucht! Kati sprang vor den Mast auf das Kajütendeck der Jolle und nahm die zu erwartende Schimpftirade vorweg: „Es ist mir ja egal, wo Sie Godewind I und II versenkt haben, aber diesen Kahn legen Sie in meinem Hafen nicht auf Grund, verstanden?“
Dabei äffte Kati mit einigen groben Gesten den wütenden Hafenmeister nach. Solveigh saß an der Pinne und reagierte nicht auf Katis Showeinlage. Fast hätte Kati ihn übersehen: Vor der Segelschule hatte sich tatsächlich eine Figur aufgepflanzt, die der neue Schüler sein könnte.
Eher klein, dafür aber etwas gedrungen, wartete dort ein Junge in ihrem Alter. Er stand dort barfüßig wie angewurzelt und starrte sie unverwandt an.
Das kräftige, leicht gelockte, dunkelbraune Haar, das ihm um die Stirn wehte und immer wieder ins Gesicht fiel, schien ihn nicht zu irritieren. Es kontrastierte eigentümlich mit den blauen Augen und den Sommersprossen auf der Nase.
Über seinen knielangen Jeans in verblichenem Blau trug er eine ärmellose Weste aus einem grünen, wattierten Leinenstoff.
„Ich glaub, mich laust der Affe!“, platzte es aus ihr heraus. „Sieh dir mal den an!“
Solveigh sah zum Verklicker hinauf. Im Hafen hatte der Wind gedreht, er wehte jetzt vom Heck her und trieb sie gegen den Steg.
„Tuch runter!“
Mit einem Satz war Kati am Mast, löste das Fall, so dass das Großsegel herunterrauschte; das Vorsegel hatten sie schon vor der Hafeneinfahrt geborgen.
Das Boot verlangsamte seine Fahrt und glitt nun gemächlich auf den Steg der Segelschule zu. Kati stieg auf den Bug, nahm die Vorleine auf und rief zu der Statue: „Fang!“
Die Leine fiel neben dem Jungen nieder, der erst verzögert reagierte. Als er sich endlich gebückt hatte, war das Ende wieder vom Steg gerutscht.
„Zu kurz!“, konstatierte er.
„Zu spät!“, gab Kati zurück.
„Ihr seid zu spät!“, schrie er.
Leise sagte Kati: „…und du bist zu kurz!“
Solveigh kicherte albern.
Laut sagte Kati dann: „Wir sind doch nicht die Bundesbahn!“, und warf ihm den Tampen erneut zu.
Diesmal erwischte er das Leinenende mit dem Fuß, hob es auf und wickelte es um die Klampe.
„Hör mal!“, protestierte Solveigh, „Dem Tampen wird ja ganz schlecht, wenn du ihn so aufnudelst. So kannst du vielleicht deinen Daumen bandagieren, wenn du ihn nachts wundgelutscht hast, aber nicht eine Klampe belegen!“
Kati sprang von Bord und zeigte Christian, wie man eine Klampe belegt.

„Herr Hinrich hat gesagt, dass mein Kurs um 15 Uhr anfängt und ich warte schon 10 Minuten hier auf das Boot und meinen Segellehrer“, schimpfte Christian. „Erstens ist Onkel Hinrich für dich Herr Brodersen, es sei denn, er hat dir das ‚Du‘ angeboten, zweitens sind wir deine Segellehrer und drittens bist du nicht segelklar.“
Christian starrte sie verdattert an.
„Wie bitte?“
„Was?“, gab Solveigh ungerührt zurück.
„Ihr wollt mir Unterricht geben?“
„Was dagegen?“
Christian wich ihrem Blick aus. „Wieso bin ich nicht segelfertig?“ „Ohne Schuhe und Schwimmweste kommt mir keiner an Bord!“
Solveigh verschränkte die Arme vor der Brust und sah Christian herausfordernd an.
Der Junge wurde unsicher. „Wozu denn Schuhe, ich krieg doch eh nasse Füße in eurer Badewanne!“
„Weil es glatt im nassen Boot ist und wir nicht wollen, dass du gleich in der ersten Stunde auf die Schnauze fällst!“
Solveigh lächelte nun herablassend und fuhr mit schmelzender Stimme fort: „Die Schwimmweste brauchst du, weil die Förde keine Badeanstalt ist und der Beckenrand meist viel weiter weg ist als du denkst!“ Christian wurde etwas kleinlaut: „Von der Schwimmweste hat mir keiner was gesagt.“
„Nun komm schon ins Boot, aber sieh zu, dass du dir bald eine anschaffst“, vermittelte Kati und rückte etwas zur Seite.
Als Christian auf den gewölbten Bug sprang, nickte die Jolle gefährlich, und die nackten Füße des Jungen kamen tatsächlich ins Rutschen. Kati hatte es schon geahnt und hielt ihn fest. Dann zog sie aus der Kajüte eine dritte blau-weiß-rote Schwimmweste und half Christian sie anzuziehen.
„Sei vorsichtig, wenn du dich im Boot bewegst. Segeln hat mit Wasser zu tun und Wasser ist eigentlich immer ziemlich glitschig.“
Folgsam setzte sich Christian auf die schmale Bank, während die Mädchen ein perfektes Ablegemanöver demonstrierten.

Geschickt steuerte Solveigh die Jolle aus dem Hafen auf das freie Wasser.
„So, erstmal machst du den Fockaffen und heute Abend büffelst du mal ein bisschen Theorie“, ordnete Solveigh an.
Christian war völlig verwirrt, als Kati ganz freundlich zu ihm sagte: „Übrigens, ich bin Kati, und das ist Solveigh – und du heißt Christian?“
„Ich?- Äh, ja, ich heiße Christian Meyer zur Heide – aber was ist ein Fockaffe?“
„Ein Fockaffe ist der Trottel, der auf einem Boot die Fock stramm hält“, erklärte Kati geduldig. „Aber das setzt voraus, dass wir eine Fock gesetzt haben, und das müssen wir jetzt erstmal machen.“
Kati zog das Vorsegel hoch und drückte Christian ein Seil in die Hand.
„Das ist die Schot; und wenn der Steuermann schreit: ‚Hol dicht die Schot!‘, ziehst du dran, und wenn er das Kommando gibt: ‚Fier auf die Schot‘, dann lässt du es locker – ist doch ganz einfach, oder nicht?“
Christian hätte gern zugestimmt, aber er wusste immer noch nicht, wer nun der Steuermann war und die Kommandos gab…

Mann über Bord!

Christian hatte manchmal Mühe sich zu konzentrieren – besonders, wenn beide Mädchen in geübtem Wechselspiel „ganz einfache Dinge“ erklärten. Das nannten sie „jemandem was verklickern“. Ihm war aufgegangen, dass sich dieser Ausdruck auf die kleine Fahne im Masttop, den Verklicker, bezog. Sie sagten ihm einfach, woher der Wind wehte.
Und manchmal begriff er auch etwas: Man musste aufpassen, dass man mit dem Ruder den Bug nicht in den Wind drehte, weil das Boot dann nicht voran kam. Aber – ein bisschen seitlich schob der Wind die Jolle wie toll vorwärts. Das Boot legte sich schräg, es krängte, dass einem angst werden konnte.
„Dann setzt du dich eben auf die hohe Kante und drückst es wieder gerade!“
Als wenn das immer so leicht wäre: Kaum erhob man sich, um auf die andere Bordseite zu krabbeln, eierte die Jolle unstet herum.
„Dabei darfst du dich natürlich nicht gerade an der Ruderpinne fest halten. Oder verziehst du bei deinem Fahrrad auch immer den Lenker, wenn du dein Gewicht verlagerst?“
Christian hatte kein eigenes Rad und seine Radfahrkünste waren beschränkt. Er hätte schon sehr gern ein Fahrrad, aber das wollte er den eingebildeten Schnallen nicht auf die Nase binden. Wenn Solveigh und Kati sich einig waren, konnten sie ihn im Nullkommanichts fertig machen. Und sie waren sich eigentlich immer einig. Christian schnaufte missmutig.
„So, kommen wir also zur Sicherheitsausrüstung an Bord!“ Solveigh sah ihm in die Augen. Christians Miene hellte sich auf.
„Grins nicht so dämlich, oder glaubst du, wir tanzen dir jetzt was vor wie die Stewardess im Flugzeug?“
„Hätt ich nichts einzuwenden“, lachte Christian. Solveigh überging die Bemerkung, konnte sich aber selbst ein Kichern nicht verkneifen. „Außer der Schwimmweste“, Solveigh warf ihm einen bedeutungsvollen Blick zu, „die man ja immer auf dem Leib trägt, braucht man vor allem eine Pütz, um Wasser aus dem Boot schöpfen zu können. Ein Paddel für die Flaute, einen Anker zum Baden gehen, eine Taschenlampe für Lichtsignale in der Dämmerung und ‘ne Menge Leinen und Bändsel für alles Übrige.“

„Lass uns doch mal ‚Mann über Bord‘ mit ihm üben“, gähnte Kati, „wir haben doch noch Zeit.“
„Ihr spinnt wohl, ich geh doch jetzt nicht ins Wasser!“ Christian kannte Schwimmen wirklich nur aus der Badeanstalt – im offenen Meer, und dann noch so weit entfernt vom Ufer – war er noch nie geschwommen. Ihm wurde etwas mulmig, er traute den beiden Mädchen alles zu. Wie die Blicke tauschten, brächten die es fertig ihn ins Wasser zu schubsen!
„Beruhige dich, Kleiner! Zum Training nehmen wir keine halb fertigen Männer, sondern Bojen“, und – schwupps! – hatte Kati einen Fender ins Wasser geworfen.
Wie schnell die Boje zurückblieb! Christian war erstaunt, wie viel Fahrt das Boot machte, obwohl es ganz gemächlich dahinzutreiben schien. Kati begann in einen eigentümlichen Singsang zu verfallen: „Boje über Bord, eine Bootslänge achteraus, Boje zwei Bootslängen achteraus, Boje drei Bootslängen achteraus!“
Solveigh ermahnte Christian, der untätig an der Ruderpinne saß: „Du musst jetzt schon mal abfallen!“ Christian brauchte bald eine Viertelstunde, bis er die Jolle so dicht an die Boje zurückmanövriert hatte, dass Kati sie an Bord nehmen konnte.
Da passierte das Unglück: Erleichtert hatte sich Christian zurückgesetzt, als plötzlich der Wind drehte – oder hatte sich das Boot gedreht? Solveigh schrie auf: „Warschau, der Baum kommt über!“ Da war das Segel mitsamt seinem Baum herumgerauscht und über die Köpfe der drei Segler hinweggefegt. Solveigh und Christian duckten sich noch rechtzeitig, aber Kati ging mit einem Kreischen über Bord.
„Das nennt man eine Patenthalse…“
Solveigh sah Christian prüfend an. Der saß starr vor Schreck am Ruder, das er krampfhaft fest hielt. „Hast du einen Plan, wie wir das arme bewusstlose Mädchen aus den Fluten retten können?“ Christian wäre am liebsten hinterher gesprungen, aber Solveigh begann zu singen: „Mann zwei Bootslängen achteraus – wird’s bald? – Mann drei Bootslängen achteraus…“
Christian kam ein Verdacht, aber er hatte jetzt keine Zeit, darüber nachzudenken. Er gab sich redlich Mühe und schaffte es nach zwei Versuchen, das Boot zur reglos treibenden Kati zurückzusteuern.
Als Solveigh ihrer Freundin die Hand reichte, schwang Kati sich locker ins Boot und lobte Christian verhalten: „Für den Anfang ging es ja, aber im Herbst dürfte es dann gern etwas zügiger gehen!“
Christian war richtig sauer, als er feststellen musste, dass die Mädchen ihn wirklich zum Narren gehalten hatten. Er schwor sich nicht noch einmal auf ihr abgekartetes Spiel hereinzufallen…